Dienstag, 31. August 2010

Persönlich



Meine Oma ist tot.

Ich habe mich schon seit ich denken kann vor diesem Tag gefürchtet. Obwohl ich lange Zeit das Gefühl hatte, meine Oma würde nie sterben. Warum? Ich weiß es nicht. Seitdem ich bewusst zurück denken kann, sah meine Oma immer gleich aus. Sie wurde nicht älter. Irgendwie...
Vor ein paar Jahren fing sie dann an, geistig abzubauen. Da wurde mir schmerzlich bewusst, dass es mit jedem irgendwann zu Ende geht.

Anfang Juli wurde dann bei ihr Krebs festgestellt. Sie wurde operiert. Aber eigentlich konnte man ihr schon nicht mehr helfen. Sie verlor kontinuierlich Blut und wurde dann im August wieder ins Krankenhaus eingewiesen. Ich habe sie oft in meiner Pause oder nach der Arbeit besucht. Und jedes Mal, wenn ich dort war, musste ich mit ansehen, wie der Krebs sie mehr und mehr "zerfraß". Ich glaube, das Schlimme daran war, dass ich mit ansehen musste, wie sie unter unseren Händen weggestorben ist... und keiner konnte was tun.

Am letzten Dienstag habe ich sie das letzte Mal im Krankenhaus besucht. Es war grauenvoll. Sie war zu schwach für alles. Sprechen konnte sie auch nicht mehr. Als ich ihr sagte, dass ich jetzt gehen müsse, weil ich wieder zur Arbeit musste, hat sie einen Kussmund gemacht. Wir haben uns verabschiedet... und wussten beide irgendwie, dass wir uns nicht mehr wieder sehen.

Am letzten Wochenende ist sie dann eingeschlafen. Ob ich nun sagen kann, "endlich", oder nicht... ich weiß es nicht. Für meine Oma ist es sicherlich die Erlösung gewesen. Erlösung von den Schmerzen, vom Krankenhaus, welches sie so gehasst hat...

Gestern Abend hatten wir alle noch einmal die Möglichkeit, uns von Oma zu verabschieden. Sie war in der kleinen Friedhofs-Kapelle in unserem Heimatdorf aufgebahrt. Ich habe lange überlegt, ob ich sie noch einmal sehen wollte oder nicht. Im Grunde genommen wollte ich sie so in Erinnerung behalten, wie ich sie kannte. Aber es heißt ja, dass man eigentlich nur dann richtig Abschied von dem Toten nehmen kann, wenn man sich ihn noch einmal ansieht. Da ich es bislang noch nicht richtig fassen konnte, dass sie nicht mehr bei uns ist, entschied ich mich also mitzukommen. Und was soll ich sagen: es war der schlimmste Augenblick in meinem bisherigen Leben. Ich konnte nur ganz kurz in den kleinen Raum hineinsehen, dann konnte ich für einen kurzen Augenblick nicht mehr atmen.

Sie sah so anders aus. Und sie war kalt. Eiskalt. Wir haben ihr ihre Decke mit in den Sarg gelegt, damit sie nicht friert... den Schutzengel, den ich ihr während ihres Krankenhaus-Aufenthaltes mitgebracht hatte, das Fotoalbum, in dem von allen Familienmitgliedern ein Foto eingeklebt war... und ihre Handtasche. Ihre Handtasche hatte sie immer dabei. Auch zuletzt, als sie nach dem ersten Mal im Krankenhaus zu meiner Tante gezogen ist, weil man sie einfach nicht mehr alleine wohnen lassen konnte. Meine Cousine sagte noch zu ihr: "Oma, du brauchst die Handtasche nicht, du wohnst jetzt hier." Aber das war nicht ihr zu Hause.

Seitdem meine Oma am vergangenen Freitag gestorben ist, hat es ununterbrochen geregnet. Omi... der Himmel hat für dich geweint. Als sie gestern mittag vom Krankenhaus nach "Hause" (der Friedhof, auf dem sie begraben wird, ist genau neben ihrem alten Haus) gefahren wurde, kam die Sonne durch.

Omi, jetzt bist du endlich, nach so vielen Jahren, bei deinem geliebten Ehemann, meinem Opa, der viel zu früh verstarb, und den ich leider nie kennenlernen durfte.

Am Donnerstag wird sie beerdigt. Dieser Tag wird noch einmal schwer für uns alle.
In dieser Zeit habe ich gelernt, wie unglaublich wichtig Familie ist. Ich habe leider keine Geschwister, aber trotzdem eine große Familie. Alle zusammen gezählt 34 Leute. Und obwohl man sich leider nicht wirklich häufig sieht, weiß man genau, hier ist jeder für den anderen da.

Ganz im Gegensatz zu anderen Leuten...

Danke, dass ich fast jeden Tag meiner Kindheit bei dir verbringen durfte.
Danke, für das leckere Essen, dass du jeden Tag gekocht hast, wenn ich nach der Schule zu dir gekommen bin.
Danke, dass wir dich in den Wahnsinn treiben durften, wenn wir mal wieder mit 5 Mann bei dir schlafen wollten.
Danke, dass du mich immer so akzeptiert hast, wie ich bin...trotz schlechter Noten und irgendwelchen Ringen in der Nase.

Danke, dass du meine Oma warst.

*6.9.1927 27.8.2010
Tschüss, kleine Omi. Irgendwann sehen wir uns wieder...




2 Kommentare:

  1. Puh. Das hast Du wirklich wirklich schön geschrieben. Es geht mir beim Lesen so zu Herzen, daß ich jetzt am Liebsten alle meine Omis anrufen möchte, nur um zu hören, daß es ihnen gut geht. Das Foto ist auch so schön. Deine Omi sieht sooo unglaublich warm und lieb darauf aus. Genauso sollst du sie in Erinnerung behalten. In dem Sarg lag nicht mehr deine Omi, sondern nur noch ihre sterbliche Hülle. Das Licht, die Wärme und die Liebe, die deine Omi ausgemacht haben, ist noch da, irgendwo, das glaube ich ganz sicher.

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  2. das hast du sehr schön geschrieben liebe laura. hat mir tränen in die augen getrieben.

    und ich hoffe, ich gehöre auch ein klitzekleines bisschen zu deiner familie. zu der, die man sich selbst aussuchen darf.

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